Dienstag, 19. Juli 2016

Ausgebrannt und schlapp: Burnout

Burnout: Volkskrankheit

Immer öfter wird Stress zu einem Indikator dafür, dass es im Job gut läuft. Ist Stress zum Statussymbol geworden?

Antworten Sie auf die Frage „Wie geht’s?“ auch oft mit „Ja, der übliche Stress eben“? Wenn ja, sind Sie damit nicht alleine. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat beruflichen Stress zu einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts erklärt. Damit ist er ähnlich zu bewerten wie andere Volkskrankheiten, so beispielsweise Bluthochdruck, Arthrose oder Diabetes. Wird die Überlastung aufgrund ständigen Zeit- und Leistungsdrucks und sich permanent ändernden Anforderungen im Job nicht ernst genommen, droht der Burnout. Laut Schätzungen der Krankenkassen waren in den letzten Jahren rund 13 Millionen deutsche Arbeitnehmer von dem Burnout-Syndrom betroffen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher. Bereits der Stressreport von 2012 ermittelte 29 Millionen Krankentage wegen psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Psychische Erkrankungen sind schon jetzt die häufigste Ursache für Frühverrentungen – Tendenz steigend.

Burnout im Buch und der Verfilmung

Eine der berühmtesten Persönlichkeiten, die sich zum Burnout bekannte, ist die erfolgreiche Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel. Sie ist Professorin an der Universität St. Gallen und Anfang 40, als sie sich dem Burnout geschlagen geben muss. In ihrer Auszeit schrieb sie das Buch „Brief an mein Leben“, in dem sie Gründe für den Zusammenbruch benennt. Auch andere Prominente, wie der Skispringer Sven Hannawald, Politiker Matthias Platzeck, Autor Frank Schätzing und Starkoch Tim Mälzer sprechen öffentlich über die totale Erschöpfung, ihren Brunout. Sie brechen damit ein Tabu, sprechen über das Vorurteil, welches Burnout als ein Zeichen von Schwäche auslegt. Tatsächlich sind nämlich häufig Menschen von der Diagnose betroffen, die einen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz beweisen. Und das sind natürlich nicht nur Promis. Auch Menschen in sozialen Berufen, aber auch Leiharbeiter, Hausfrauen und Studenten können betroffen sein.

Die Krankheit ist ein schleichender Prozess

Aber wie genau lässt sich das Burnout-Syndrom tatsächlich von einem bloßen zeitweiligen Durchhänger im Job unterscheiden? „Es bestehen recht unterschiedliche Sichtweisen darüber, ob ein Burnout eine anerkannte Krankheit ist. Es ist ein noch unklar definiertes Konzept. Verschiedenen Ansätzen ist zumindest gemeinsam, dass die berufsbezogene emotionale Erschöpfung als Hauptsymptom gesehen wird. Auch wenn Burnout nach wie vor nicht als eigenständige Erkrankung in den gängigen diagnostischen Klassifikationssystemen gelistet ist, so steht jedoch außer Frage, dass Betroffene deutlichen Leidensdruck verspüren und dass therapeutische Angebote unerlässlich sind“, erklärt Professorin Brigitte Kudielka (Lehrstuhl für Medizinische Psychologie, Psychologische Diagnostik und Methodenehre) von der Universität Regensburg. Burnout kommt nicht von heute auf morgen, er kann schleichend verlaufen oder in Schüben auftreten. Oft bleibt das Risiko eines drohenden Zusammenbruchs unerkannt, weil Arbeitnehmer nicht mit Kollegen oder Vorgesetzten über die Überlastungen sprechen. Grund ist in vielen Fällen die Angst, als nicht belastbar abgestempelt zu werden. Die Verläufe der Erschöpfung verlaufen sehr unterschiedlich und individuell. In der Anfangsphase fühlt sich die Anerkennung, die dem Arbeitnehmer aufgrund des hohen Arbeitsaufwands zuteilwird, meist noch recht gut an. Bleibt die Anerkennung in der Folge aus oder verkehrt sie sich sogar ins Gegenteil, während die Arbeitsbelastung aber gleichbleibend hoch bleibt, entwickeln Betroffene oft Unzufriedenheit, Angstgefühle und Gleichgültigkeit. Es mangelt an Zeit für die Familie, für Freunde und für Hobbys. Auch die gesunde Ernährung und Sport bleiben oft auf der Strecke. Bald stellen sich körperliche Schwierigkeiten wie zum Beispiel Schlafprobleme, Kopf- und Rückenschmerzen, Magen- und Darmprobleme oder Herzrasen und Panikattacken ein. Die Betroffenen verlieren sich oft in endlosen Gedankenschleifen und entwickeln eine Art Tunnelblick. Es droht die soziale Isolation und Hilflosigkeit, die einige Betroffene mit Suchtmitteln zu bekämpfen versuchen.

Schwerwiegende Konsequenzen für den gesamten Körper

Die Endphase des Burnout-Syndroms kann lebensbedrohlich sein. Das Immunsystem ist angeschlagen, die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Auch Suizid ist nicht ausgeschlossen. „Ich funktionierte irgendwann nur noch wie ein Roboter“, erklärt die Angestellte Martina R. aus Regensburg. Die 43-Jährige hatte stets einen sehr hohen Anspruch an ihre Arbeit. Das passt ins Bild, denn Psychologen berichten, dass besonders perfektionistisch veranlagte Menschen ein erhöhtes Risiko für Burnout haben. „Als ich die Stelle angenommen hatte, war ich sehr motiviert. Ich habe viele Überstunden gemacht, das war für mich selbstverständlich“, sagt Martina R.. Die Mittagspause ist oft ausgefallen und auch für den Smalltalk an der Kaffeemaschine hatte sie so gut wie nie Ruhe. „Viel zu spät habe ich gemerkt, dass ich kaum noch Zeit mit meiner Familie hatte und wenn, dann war ich zu erschöpft, um irgendetwas mit ihnen zu unternehmen. Ich habe ständig Dinge vergessen und machte schließlich auch am Arbeitsplatz Fehler“, erinnert sie sich. Dann kam die Angst vor der Kündigung. Irgendwann hat die Angestellte im Büro einen Weinkrampf bekommen. Ihre Belastungsgrenze war zu diesem Zeitpunkt schon lange überschritten.

Die Schnittmengen von Symptomen der Depression und Burnout sind groß. Lustlosigkeit, Angst, Gereiztheit, mangelndes Selbstvertrauen und Leistungseinbruch finden sich in beiden Fällen. Deswegen wird Burnout auch oft als Überlastungsdepression beschrieben. So schwer die Differenzierung aus wissenschaftlicher Sicht auch ist, so tun sich Betroffene ihrem Umfeld gegenüber leichter, von einem Burnout zu sprechen, als von einer Depression. Grund ist eine gesellschaftliche Bewertung, die schon im Namen steckt: Wer ausgebrannt ist, muss auch einmal gebrannt haben. Miriam Meckel lehnt in ihrem Buch das Wort „Burnout“ ab, weil es eine Lifestyle-Anmutung vermittle. Als gehöre ein Burnout zu einer erfolgreichen Karriere dazu. Leider werde zu oft vergessen, dass ein Burnout alles andere als ein erstrebenswerter Zustand ist, sondern im schlimmsten Fall das Leben kosten kann.

Wie verhindert man einen Burnout?

Bei der Regensburgerin Martina R. haben die Kollegen reagiert, als sie weinend am Schreibtisch zusammenbrach. „Sie haben mich überredet, zum Arzt zu gehen. Der wollte mich gleich krankschreiben. Aber das wollte ich zuerst nicht“, erklärt sie. Zu groß war die Angst, vor dem Chef und den Kollegen als nicht belastbar dazustehen. Die Kollegen und die Familie haben ihr dann geholfen, die richtigen Schritte einzuleiten. Martina R. hat es mithilfe einer Psychotherapie geschafft, aus dem seelischen Hamsterrad auszubrechen. Sie musste vor allem lernen, Nein zu sagen. Eine Studie von Forschern aus der Schweiz weist nach, dass schon eine sechswöchige Therapie effektiv gegen Burnout helfen kann. Damit der Erschöpfungszustand gar nicht erst auftritt, haben viele Unternehmen auch innerbetriebliche Maßnahmen eingeleitet. Persönlich sollte man darauf achten, Ruhephasen einzuhalten sowie Hobbys und Freunde als genauso wichtig einzustufen wie die Arbeit. Außerdem sollte jeder erste Anzeichen einer Erschöpfung ernst nehmen. Im Internet gibt es Tests, mit denen das Burnout-Risiko getestet werden kann (http://ift.tt/1nVV2wB). So ein Test ersetzt allerdings keinen Arztbesuch und kann nur eine allgemeine Tendenz aufzeigen.

Quelle: mittelbayrische.de



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